Sonntag, 23. Dezember 2007

Risse






Besuch bei der Evangelical Presbyterian Church in Ho, der Hauptstadt der Volta Region. Hier bewegt man sich historisch auf dem Gebiet der Bremer Mission bzw. der Norddeutschen Missionsgesellschaft.

Auf dem Gelände der Evangelical Presbyterian Church ist unter einem Schutzdach eine kleine 1857 in Stuttgart gegossene Glocke auf einem extra dafür gebauten Sockel ausgestellt. An sich ist die Glocke nutzlos, denn sie hat einen Riss. Aber mit diesem Riss ist eine Geschichte verbunden.

In den um 1867 beginnenden kriegerischen Auseinandersetzungen eroberten die Ashantis Ho. Die Ho-Glocke wurde bei der Zerstörung der Missionsstation1869 vom Häuptling Adu Bufo als Siegestrophäe mitgenommen. Sie wurde lange von Dorf zu Dorf, von Schlacht zu Schlacht getragen, und am 4. September 1871 nach Kumasi, der Hauptstadt der Ashantis, gebracht. Hier wurde sie in den großen Opferbaum gehängt und geläutet, wenn Todesurteile vollstreckt oder Häuptlinge beerdigt wurden.

Die Missionare hatten rechtzeitig in Begleitung der aus der Sklaverei freigekauften Afrikaner die Station verlassen. Die anderen Afrikaner waren schon vorher, ohne die Missionare über die Kriegsgefahr zu informieren, aus der Station verschwunden. Als die Missionare 1874 zurückkehrten, mussten sie feststellen, dass in der Zwischenzeit keiner der christianisierten Ewe seinen Glauben behalten hatte. (Vgl. dazu Alsheimer, Rainer: Bild als missionarisches Traktat. In : Ziehe, Irene; Hägele, Ulrich: Fotografien vom Alltag - Fotografieren als
Alltag, Münster 2004, S. 159 f.)

Einen Riss anderer Art erwähnte der Ghanaer, der uns über das Gelände der ehemaligen Missionsstation führte. Die deutsche Kolonie Togoland wurde nach dem 1. Weltkrieg in einen westlichen Teil, der unter britische Verwaltung kam, und einen östlichen Teil, der französisches Mandatsgebiet wurde, aufgeteilt. Unser Führer bedauerte, dass die Deutschen ihre Kolonie aufgeben mussten, denn dies habe ausgesprochen nachteilige Folgen für den britisch verwalteten Teil gehabt. Mit dieser Ansicht steht er offensichtlich in der Tradition seines Großvaters, der nach 1918 Mitglied im Togobund war. Politisches Ziel des Togobundes war die Vereinigung aller Ewe und die Wiederherstellung der deutschen Kolonialveraltung. Im Togobund organsierten sich vor allem jüngere Mitglieder einer Ewe-Elite. Die Erklärung, die man hierfür auf den Seiten von Wikipedia unter dem Stichwort "Togobund" findet, leuchtet ein: Bei den Mitgliedern des Togobundes handelte "es sich zumeist um deutsch-gebildete Zivilbeamte der ehemaligen Kolonialverwaltung, die ihre Karrieren mit der Teilung Togos nach dem Ersten Weltkrieg unter anderem wegen ungenügender englischer und französischer Sprach- und Rechtskenntnisse gefährdet sahen."
Dieser Riss wurde zur Zeit der Unabhängigkeit Ghanas noch einmal deutlich. In der Volta Region, also dem Gebiet des ehemaligen britischen Mandatsgebiets, wurde in einer Volksabstimmung über den Anschluss an Ghana entschieden. In den südlichen, von den Ewe bewohnten Gebieten, stimmte die Bevölkerung gegen den Anschluss an Ghana. Den Ausschlag für den Anschluss gaben die Stimmen aus dem Norden der Volta Region. Der Ewe-Nationalismus war lange Zeit ein Problem für den jungen Staat Ghana.

Keine Kommentare: